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TCM und Ernährung deines Pferdes
Die Milz (II)

Eins ist klar, sei aber dennoch geschrieben: Hungern lassen ist tabu! Wie sich in der heutigen Zeit herumgesprochen haben sollte, ist der Pferdemagen darauf ausgelegt, viele kleine Portionen über den Tag verteilt aufzunehmen. Fresspausen von 1-4h sind okay, aber zu lange Fresspausen sind schädlich, daher sollte immer etwas Futter zur Verfügung stehen. Ob du Heu frei verfügbar machst oder eine rationierte Fütterung mit Heunetzen praktizierst, hängt von deinem Pferd und dem Grundfutter ab. Aus Sicht der TCM führt eine zu lange Futterpause zu Qi-Mangel. Die Milz bekommt nichts, was sie im Körper verteilen könnte und der Qi-Vorrat wird erschöpft. Das Pferd baut körperlich ab. Um den Körper überhaupt versorgen zu können, leiht sich die Milz Qi von der Niere. Die benötigt aber das eigene Qi dringend, da sie sonst wiederum ihren eigenen Aufgaben nicht nachkommen kann, wodurch neue Krankheitssymptome entstehen. Darüber hinaus verursacht Hunger Stress, dieser wirkt sich negativ auf die Leber (natürlich wieder im chinesischen Verständnis und nicht als westlich gedachtes Organ!) aus, die wiederum in Verbindung mit Milz und Magen steht (wie genau, würde an dieser Stelle zu weit gehen) und schwupps haben wir die allseits gefürchtete Gastritis. An diesem Beispiel seht ihr schon einmal sehr anschaulich ein wichtiges Prinzip der chinesischen Medizin:

 

Alles hängt miteinander zusammen!

Dem entsprechend darf nichts, kein Funktionskreis, kein Organ, kein Krankheitsbild, weder Psyche noch Körper, isoliert von einander betrachtet werden. Deswegen wird es auch in diesem Artikel nicht ausschließlich um die Milz gehen. Denn sie hat wichtige Partner und Mitarbeiter, ohne die es nicht geht. Neben zu wenig Futter, schwächt auch ein Zuviel an Futter die Milz! Und damit haben wir ein Hauptproblem unserer heutigen Gesellschaft, nicht nur bei uns Menschen. Wir überfordern unsere arme Milz und die unserer Pferde. Denn: ein Zuviel an Nahrungsangebot schwächt die Milz. Sie muss zu viel arbeiten, wird müde und trotz Ihrer Müdigkeit bekommt sie dasselbe Pensum zu bewältigen und wird schwächer und schwächer. Sie wirft das, was ihr vorgelegt wird in Form von Feuchtigkeit überall im Körper ab, quasi als Mülleimer, weil sie selbst es nicht mehr verwerten kann. Feuchtigkeit sammelt sich an, die der Körper wieder loswerden muss. Man denke z. B. an Wassereinlagerungen bei EMS, Kotwasser usw. Auch die Lunge als Tochterorgan (das nehmt jetzt einfach mal so hin. Vielleicht kommt hierzu nochmal ein anderer Beitrag.) wird schwach. Die Lunge wird von der Milz eigentlich energetisch genährt. Diese Nährfunktion kann aber von einer schwachen Milz, die sowieso gar keine Energie mehr für sich selbst zur Verfügung hat, nicht geleistet werden. Wenn die Milz gar nicht mehr weiß, wohin mit all dem Müll in Form von Nässe und Feuchtigkeit, kippt sie es auch in die Tochter Lunge. Feuchtigkeit stagniert und wird zu Schleim. Und dann haben wir was? Na? Richtig! Ein massives und meist schnell chronisches Atemwegsproblem.

Fütterung Pferd

Eine Schwächung der Milz geschieht bei unseren Pferden überwiegend durch folgende Komponenten:

 

 

Schlechtes Grund- d.h. Raufutter

Wirklich gutes Heu ist unheimlich schwer zu finden. Und mit gut ist nicht nur gemeint, dass das Heu nett grün aussieht und nach Heu riecht. Nein, gut bedeutet: staubarm, d.h. nicht zu tief gemäht, mit geringer Schimmelbelastung (dies steht und fällt nicht nur mit der Produktion, also dem richtigen Schnitt- und Trocknungszeitpunkt, sondern auch mit der Lagerung!), sowie zuckerarm, eher mager und kräuterreich. Ein Heuballen mit schimmeliger Liegestelle sollte für Pferde tabu sein! Denn die offensichtliche Schimmelstelle ist nur die sichtbare Spitze des Eisberges. Auch in dem Rest des Ballens werden sich Schimmelsporen verbreitet haben, die wir vielleicht nicht mit bloßem Auge sehen, die Pferdelunge (im chinesischen und westlichen Sinne), Leber (chin. Und westl.) und Milz (chin.) aber zu spüren bekommen. Im allerschlimmsten Fall bei ad libitum Fütterung den Großteil des gesamten Tages! Es reicht also nicht, die offensichtlich befallene Stelle einfach herauszunehmen und den Rest trotzdem zu verfüttern, wie es so oft praktiziert wird.

Habt ihr Zweifel, was die Heuqualität angeht, lasst eine Heuanalyse machen. Hierfür stehen diverse Labore und Institute zur Verfügung. Hier kann nicht nur ein Befall auf Schimmelsporen und andere Keime erfolgen, sondern auch der Zucker- Eiweiß und Rohfaser ermittelt werden. Diese Parameter des eigenen Grundfutters zu kennen, kann ein Gamechanger bei lungenkranken, darmkranken oder stoffwechselerkrankten Pferden sein oder solchen, die zwar zu dick, aber noch nicht erkrankt sind und unbedingt abnehmen müssen.

Müsli, Pellets und Co.

Grundsätzlich gilt: jede industrielle Bearbeitung eines Nahrungsmittels mindert die Energieaufnahme. Dazu gehört zum Beispiel das Pressen von Pellets und Leckerli. Je mehr ein Nahrungsmittel vor dem Verzehr industriell verarbeitet wurde, d.h. aufgespalten, getrocknet, gepufft, gekocht usw. desto mehr Wärme enthält dieses Nahrungsmittel. Denn sie werden meist unter Wärmeeinwirkung getrocknet, gepresst usw. Auch entzieht jede dieser gängigen Verarbeitungen dem Nahrungsmittel Feuchtigkeit. Um z.B. gepresste Pellets, die in fast jedem Müsli zu finden sind, verdauen zu können, wird in der chinesischen Denkweise wird durch deren trockene Konsistenz folgerichtig auch dem Pferdekörper Feuchtigkeit entzogen. Auch die bei der Verarbeitung zugefügte Hitze landet im Pferdekörper und erzeugt dort wiederum auch eine innere Hitze. Ein Zuviel an Hitze und Trockenheit schaden dem Magen, der das Partnerorgan der Milz ist. Als Partner der Milz bildet er mit ihr eine feste Einheit, die sogenannte „Mitte“. Anders als die Milz, die es trocken liebt, braucht er Feuchtigkeit, denn er ist für die Verwaltung aller Flüssigkeiten zuständig, die über die Nahrung im Pferd landen. Die Flüssigkeiten werden vom Magen umgebaut und ein großer Teil an die Niere weitergeleitet, welche das Gleichgewicht aller Flüssigkeiten im Pferdekörper hält und überschüssige Flüssigkeiten ausscheidet. Zu viel trockene Nahrung schädigt also nicht nur den Magen, sondern in zweiter Lesung auch die Nieren und ihren Funktionskreis.


Nässe und Kälte

Die Milz mag es warm und nicht zu nass. Mash, mit warmem Wasser aufgeweichte Heucobs und handwarmes Trinkwasser tun der Milz gut, besonders im Winter. Futter, das dazu neigt Feuchtikeitsansammlungen im Körper zu verursachen oder die Milz schnell und heftig in Anspruch nimmt, wie vor allem zuckerlastige Futtermittel sind zu vermeiden. Da fast jedem Müsli, Pellettfutter oder Futterzusatz irgendeine Form von Glucose, Dextrose, Maltose usw. zu finden ist, um die Futterakzeptanz zu erhöhen – auch Pferde mögen es süß – müssen wir Pferdehalter hier besonders aufpassen. Zum Glück findet dies bezüglich nach und nach ein Umdenken in der Futtermittelindustrie statt, sodass mit etwas Recherche mittlerweile tolle Produkte ohne diese störenden Zusätze zu finden sind. Um die pathogenen Faktoren Nässe und Kälte nicht in den Körper eindringen zu lassen, sollte das Pferd stets die Möglichkeit haben sich bei nasskaltem Wetter unterzustellen. Eine Alternative bietet das Eindecken, das je nach Pferdetyp, Vorerkrankungen, Alter usw. niemals per se verteufelt werden sollte!


Negative Emotionen

Ein nicht zu vernachlässigender die Milz schwächender Faktor sind negative Emotionen. Allen voran Stress! Diese Emotion wird in der chinesischen Denkweise dem Funktionskreis der Leber zugesprochen. Unter Stress spannt sich die Leber an das Pferd wird zornig oder depressiv, wenn der Stress lange anhält und es keinen Ausweg gibt. Zornige Pferde erkennen wir schnell an ihrem aggressiven und ungnädigen Verhalten. Depressive Pferde werden leicht übersehen. Ist die Leber auf Dauer angespannt, dominiert und überkontrolliert sie die Milz und hemmt somit den glatten Fluss von Blut und Qi in der Mitte. Es kommt zu Blähungen bis hin zu Gaskoliken, zu Gastritis, Muskelverspannungen und weiteren Krankheitsbildern. Stress kann beim Pferd durch vielfältige Faktoren ausgelöst werden: Nicht passende Haltungsform, zu wenig Bewegung, zu viel Bewegung d.h. körperliche und psychische Überlastung durch Training oder einen Artgenossen, der das Pferd jagt, nicht ans Heu lässt oder in der Nachabarbox ständig angiftet, nicht genug Futter (s.o.) oder Schmerzen durch unerkannte Erkrankungen an Organen oder Bewegungsapparat. Ist es für uns Menschen schon schwer die eigenen Stressoren auszumachen und zu eleminieren, so ist es oft noch schwieriger die für unsere Pferde Stress auslösenden Faktoren zu finden. Meine Bitte an euch: schaut immer wieder mit offenen Augen d.h. neutral, ohne Scheuklappen ehrlich auf euer Pferd und seine Lebensumstände, wenn ihr auf Ursachenforschung geht. Das kann manchmal wehtun, manches mal müssen wir die eigenen Wünsche und Ideale hintenanstellen. Um unser Pferd gesund zu erhalten ist dies manchmal aber unumgänglich. Nicht selten öffnet sich dadurch auch für uns ein neues bereicherndes Türchen, das uns zu einem noch besseren Pferdemenschen und Partner für unser Pferd heranwachsen lässt!


Bewegung für den Energiefluss

Regelmäßige Bewegung ist für das Bewegungstier Pferd entscheidend, um den Energiefluss im Körper zu fördern, die Leber und damit auch die Milz fröhlich zu stimmen. Idealer Weise sollten Pferde natürlich täglich genug Platz haben, um sich selbst so zu bewegen, wie sie es möchten. Es ist dabei je nach Pferd ganz individuell zu entscheiden, ob dies am besten durch die Haltung im Offenstall, Trail oder durch tägliche Weidegänge geschieht. In Ermangelung großer Flächen und Bewegungsanreize (kein Hauspferd muss mehr kilometerlang schlendern um genügend mageres Gras für den täglichen Futterbedarf zusammenzubekommen) in den hiesigen Breiten ist eine zusätzliche Bewegung durch den Pferdebesitzer auf oder neben dem Pferd oft unerlässlich, da sonst das Nahrungsangebot den Energieverbrauch des Pferdes deutlich übersteigt und dies wieder zu Lasten der Milz geht (Stichwort Übergewicht, Stoffwechselentgleisung usw.).

Wie schützen wir also zusammenfassend die Milz unserer Pferde? Wir achten auf:

  • hervorragendes und genügend Raufutter, das in seiner Menge an die körperliche Verfassung des Pferdes angepasst ist.
  • Möglichst handwarmes Trinkwasser, zuckerarmes, möglichst wenig industriell verarbeitetes Futter.
  • Anhaltende Stressoren, die langfristig negative Emotionen hervorrufen können erkennen und eliminieren.
  • Genug Bewegung frei und/oder unter und mit dem Reiter.


Im Falle, dass dies alles nicht hilft und/oder die Milz bereits geschwächt ist, gibt es die Möglichkeit der chinesischen Medizin in Form von Akupunktur und Phytotherapie, die gezielt eine schwache Milz stärken können.

Lest dazu mehr in einem meiner nächsten Beiträge!