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Pferde richtig anweiden

Der Frühling ist eine Zeit des Neuanfangs und des Erwachens, sowohl für die Natur als auch für unsere Pferde, die nach den langen Wintermonaten auf ihren Winterpaddocks wieder die Freiheit der Weide genießen dürfen. Das frische Grün lockt und verspricht eine reiche Quelle an Vitalstoffen, die essentiell für die Gesunderhaltung der Pferde sind. Aber dieser scheinbar unkomplizierte Übergang in die Weidesaison bringt auch Herausforderungen mit sich, insbesondere das Risiko der Hufrehe. Die nachfolgende Betrachtung versucht ein wenig Licht in die komplexe Thematik des Anweidens zu bringen, beleuchtet die Risiken und zeigt ganzheitliche Ansätze auf, um diesen Herausforderungen begegnen zu können.

Die Kunst des Anweidens – richtig anweiden und Hufrehe bei deinen Pferden vermeiden

Die langsame Rückkehr auf die Weide bietet den Pferden nicht nur psychische Erleichterung, sondern auch physische. Zum einen, weil das Bewegungstier  Pferd wieder mehr Platz hat sich zu bewegen und so Muskulatur, Bänder, Sehnen usw. gestärkt und die Verdauung sowie der Stoffwechsel angekurbelt werden. Zum anderen weil das junge, saftige Gras äußerst reich an Nährstoffen ist und eine willkommene Alternative zum Winterfutter. Bei aller Freude über das friedvolle Bild eines Glücklich grasenden Pferdes, ist jedoch von größter Wichtigkeit, das Anweiden sorgfältig zu planen. Eine graduelle Gewöhnung an das frische Gras ist entscheidend, um Verdauungsprobleme wie Kotwasser, Blähungen bis hin zur Kolik oder gar eine Hufrehe zu vermeiden. In den ersten Tagen sollte die Weidezeit streng limitiert werden – idealerweise auf ca. 10 Minuten – und täglich um etwa fünf Minuten erhöht werden. Diese behutsame Eingliederung hilft, die Darmflora an die neue Ernährung anzupassen und auch den Stoffwechsel der Pferde auf die neue Nahrung einzustellen ohne ihn zu überfordern. Neben der Zeitspanne der täglichen Gewöhnung und damit der aufgenommenen Menge Gras pro Tag spielt auch die Witterung und Tageszeit, zu der das Pferd grasen gelassen wird, eine entscheidende Rolle, wie ihr dem Blog weiter unten entnehmen könnt.

Hufrehe – das Risiko ist hoch

Die Vorzüge des frischen Grases können rasch von den Gefahren der Hufrehe überschattet werden. Diese entzündliche Erkrankung der Huflederhaut bedeutet enorme Schmerzen für das betroffene Pferd und kann von leichter Pulsation und warmen Hufen bis hin zu erheblichen Lahmheiten, Bewegungunfähigkeit des Pferdes oder gar einem Hufbeindurchbruch oder Ausschuhen des Pferdes führen. Die letzten beiden Punkte führen in den meisten Fällen zur Euthanasie des Tieres. Eine Hufrehe bedeutet maximalen Schmerz für das betroffene Pferd! Auf leichteste Anzeichen, wie Fühligkeit, mangelnde Bewegungslust, leichte Pulsation oder erwärmte Hufe sollte sofort reagiert und das Pferd vom Gras heruntergenommen und Erstversorgt werden um schlimmeres zu vermeiden. Denn eine Rehe kann sehr schnell „explodieren“ und sehr schlimm werden.

Eine Hufrehe ist oft auf eine übermäßige Aufnahme von Kohlenhydraten wie Glucose und Fructose zurückzuführen, die besonders reichlich in frischem Weidegras enthalten sind. Zusätzliche Risikofaktoren wie metabolische Störungen, darunter das Equine Metabolische Syndrom (EMS) oder das Cushing-Syndrom, verstärken die Gefahr an Hufrehe zu Erkranken um ein Vielfaches. Symptome wie Steifigkeit, erhöhte Hufwärme, Schmerzen und eine veränderte Gangart sind Warnsignale, die nicht nur bei vorbelasteten, stoffwechselerkrankten Pferden frühzeitig erkannt werden müssen. Um das Risiko zu minimieren, sollte die Anweidung nicht zu Tageszeiten und Witterungslagen erfolgen, bei denen das Gras viel Fruktose und Glukose in den Spitzen speichert und Pferde, die anfällig für Hufrehe sind, können von einer Fressbremse profitieren, um die Grasaufnahme zu kontrollieren.

Ganzheitliche Behandlungsoptionen bei Hufrehe

Die Behandlung der Hufrehe erfordert eine umfassende Strategie und sofortiges Handeln! Eine symptomatische Linderung kann hervorragend mit präventiven Maßnahmen kombiniert werden. Neben der schulmedizinischen Gabe von Entzündunghemmmern, die Durchblutung fördernden Medikamenten wie Aspirin, konnte in einer amerikanischen Studie bewiesen werden, dass intensives, durchgängiges Kühlen der betroffenen Hufe durch Eispacks, Eiswürfel und ähnlichem in den ersten 24h die Gefahr der Hufbeinrotation oder -absenkung eklatant verringert. Ein Rehepferd sollte des Weiteren auf weichen Boden (dick eingestreute Box, weiche Gummimatten, dick gepolsterte Hufverbände oder weiche Hufschuhe) gestellt werden. Zusätzlich zu diesen ersten Maßnahmen hat sich auch die Akupunktur als effektive Unterstützung erwiesen. Die Akupunktur bekämpft die Entzündung, wirkt Schmerzlindernd und an bestimmten Stellen wie ein leichter Aderlass und fördert die Selbstheilungskräfte. 

Eine Anpassung der Diät ist ebenfalls unerlässlich. Die Reduzierung des Kohlenhydratgehaltes in der Nahrung ist sehr sinnvoll und unterstützt den Metabolismus und kann das Wiederauftreten von Hufrehe verhindern. Auf Bewegung sollte im akuten Stadium verzichtet werden, da Hufrehe wie oben beschrieben hochgradig schmerzhaft für das Pferd ist und ein zu viel an Bewegung den Hufbeinträger zusätzlich schädigen kann. Als Hufbeinträger wird die Schicht zwischen Hufhorn und Hufbein bezeichnet, die vereinfacht und bildhaft gesprochen wie ein Klettverschluss funktioniert indem sie Hufhorn (Hufwand) und Hufbein miteinander so verbindet, dass diese eine stabile Verbindung haben. Wird der Hufbeinträger durch die Entzündung der Rehe geschädigt, geht diese Stabilität verloren. Das daraus resultierende Szenario ist ein rotiertes oder abgesunkenes Hufbein, das in den schwersten Fällen zum Hufbeindurchbruch oder Ausschuhen des Pferdes führt. Den Schweregrad der Absenkung und/oder Rotation kann vom Tierazt anhand einer Röntgenaufnahme bestimmt werden. 

Besonders effektive Helferlein gegen die Entzündung stellen Blutegel dar. Ihr Speichel enthält eine vielzahl entzündungshemmende und gerinnungshemmende Substanzen, die bei Rehepferden lokal angesetzt sehr git Linderung bringen können. Allerdings muss hier unbedingt das Anfang 2023 in Kraft getretene Tierarzneimittelgesetz beachtet werden: da Blutegel nur eine Zulassung für den Menschen haben, dürfen sie legal leider nur noch mit Attest eines Tierarztes erworben und angesetzt werden!

Ein entscheidender Baustein für die Schmerzreduktion und erfolgreiche Behandlung einer Rehe stellt selbstverständlich auch die Hufbearbeitung dar. Das Knowhow, die Erfahrung und das Können des Schmiedes oder Hufpflegers ist von absolut entscheidender Bedeutung wenn es um einen Rehehuf geht und kann im Zweifel das Zünglein an der Waage sein. Mittlerweile gibt es zahlreiche hervorragende Möglichkeiten des Klebebeschlags, sodass in einen hochgradig schmerzhaften Rehehuf in den meisten Fällen auch kein Nagel mehr hineingetrieben werden muss. Polster unterschiedlicher Art helfen dem Pferd weich zu stehen und den Hufbeinträger zu entlasten.

Ergänzende Therapien wie Magnetfeldtherapie oder Homöopathie können weitere Bausteine eines ganzheitlichen Behandlungsplans sein. Nach überstandener akuter Rehe können eine moderate Bewegung des Pferdes sowie Bodenarbeit auf weichem Boden zur Verbesserung der Durchblutung beitragen und helfen, die durch die Schmerzen verspannte Muskulatur zu lockern. Unterstützend ist hierbei eine physiotherapeutische oder osteopathische Behandlung sinnvoll. Bei dem Ermessen des Bewegungspensums nach überstandener Rehe muss unbedingt folgendes bedacht werden: Obgleich keine Entzündung der Huflederhäute mehr vorliegt und das Pferd bestenfalls nicht mehr lahmt, so ist und bleibt der Huf durch die Zusammenhangstrennung (entstanden durch die Entzündung) zwischen Hufwand und Hufbein so lange geschwächt bis der Huf einmal durchgewachsen ist. Dies geschieht bei den meisten Pferden innerhalb eines Jahres. Es gibt jedoch auch Pferde, die noch länger brauchen und erst nach einem zweimaligen Herunterwachsen wieder stabil sind, sodass definitiv so lange mit einer vollen Belastung und vollem Training des Pferdes sowie dem Reiten auf hartem und unebenem Geläuf gewartet werden, bis die Rehe an den Hufen keinerlei Spuren mehr hinterlassen hat.

Eine dauerhafte Anpassung der Ernährung durch Heurationierung oder zu Zuckerarmem Heu sowie individuell ausgewählter Zusätzen zur Stabilisierung des Stoffwechsels und der Hufe ist ebenfalls Voraussetzung. Fragt hierfür am besten den Tierarzt oder einen qualifizierten, unabhängigen Futterberater um Rat.

Das Anweiden ist ein essentieller und sorgfältig zu handhabender Teil der Pferdehaltung im Frühjahr. Hufrehe stellt aufgrund der wachsenden Zahl stoffwechsel erkrankter Pferde, zu zuckerhaltigem hochleistungsgras auf den Weide- und Heuwiesen sowie Gräsergiften und Pestizitbelastungen seit einigen Jahren vermehrt eine Bedrohung dar. Doch durch vorausschauende Planung und ganzheitliche Behandlungsmethoden kann das Risiko minimiert und ein guter Start in eine unbeschwerte Weidesaison gesichert werden.

Präventive Maßnahmen und fortschrittliche Therapieansätze

Wie bereits geschrieben, sind die Kontrolle der Futteraufnahme durch schrittweise Erhöhung der Weidezeit und die Verwendung von Fressbremsen bei besonders gefährdeten Pferden bewährte Methoden. Weiterhin ist es wichtig, den Gesundheitszustand der Pferde genau zu überwachen und bestenfalls mit einem eher schlanken Pferd in die Weidesaison zu starten. Regelmäßige Kontrollen durch einen Tierarzt, dem Schmied/Hufpfleger oder einem geschulten Therapeuten können frühzeitig Probleme erkennen.

Die Überwachung und Anpassung der Weidebedingungen sind für die Gesundheit von Pferden von kritischer Bedeutung. Insbesondere der pH-Wert des Bodens und der Fruktangehalt des Grases sowie die auf der Weide wachsenden Grassorten spielen eine entscheidende Rolle in der Diätmanagementstrategie für Pferde und Rehe-Kandidaten im Speziellen. Magere Pferdegrässorten wie Knaulgras, Lieschgras oder Wiesenschwingel u. ä., gemischt mit heimischen Kräutern sind gegenüber Hochleistungswiesen zu bevorzugen. Auch der Boden spielt natürlich eine wichtige Rolle: ein saurer Boden (niedriger pH-Wert) kann die Verfügbarkeit von bestimmten Mineralien beeinträchtigen und die Zusammensetzung des Grases verändern, was wiederum den Fruktangehalt erhöhen kann.

Anweiden Pferd

Fruktane, die in hohen Konzentrationen besonders in Gräsern während der Spitzenwachstumszeiten nach kalten Nächten vorkommen, sind eine Hauptursache für die Auslösung von Hufrehe-Schüben, da sie die Insulinreaktion bei dafür anfälligen Pferden stark beeinflussen können. Bei einer solchen Wetterlage sollte auch bei nicht vorbelasteten Pferden mit dem Grasen bis Mittags oder Nachmittags gewartet werden, bis die Temperaturen über 8 Grad Celsius geklettert sind und die Gräser wachsen und damit den gespeicherten Fructangehalt in den Spitzen verringern konnten. Im Umkehrschluss sind Tage, an denen die Temperaturen tags wie nachts unter 8 Grad Celsius liegen, hochrisikoreich, da das Gras nicht wachsen kann und dem entsprechend sehr viel Fructan gespeichert hat. Auch Sonne und Trockenheit sind Fructan erhöhende Parameter. Wer die Risiken bzw. den Fructangehalt je Wetterlage genau wissen möchte, findet im Internet leicht zugängliche Tabellen, die die Wechselwirkungen von Temperatur und Wetterlage tags wie nachts detailliert auflisten.

Bezüglich des idealen Bodens einer Pferdeweide ist es empfehlenswert pH-Wert des Bodens regelmäßig zu testen und gegebenenfalls anzupassen, um ein optimales Wachstum des Grases zu gewährleisten, das arm an Fruktanen ist. Dies kann durch gezielte Düngung und Kalkung erreicht werden, um den Boden weniger sauer zu machen. 

Die Gestaltung der Weidezeit für Pferde, die bereits einmal an Hufrehe erkrankt waren, erfordert eine sorgfältige und durchdachte Planung. Aufgrund der Risiken, die mit der Aufnahme von frischem Gras verbunden sind, muss die Weidedauer strikt kontrolliert werden und wenn möglichst das Pferd erst nach der Gräserblüte auf Wiesen mit überständigem Gras gestellt werden, um das Risiko eines Rezidivs der Hufrehe zu minimieren. Bei Pferden, die wiederholt an Hufrehe erkranken sollte der Weidegang schlicht gänzlich gestrichen werden und das Pferd auf Paddockhaltung mit Zuckerarmem Heu oder gar Luzerneheu umgestellt werden.


Die Rolle der Ernährung und Bewegung

Eine optimierte Ernährung spielt eine zentrale Rolle bei der Prävention und Behandlung von Hufrehe. Eine ausgewogene Diät, die reich an Ballaststoffen und arm an schnell verdaulichen Kohlenhydraten ist, unterstützt den Magen-Darm-Trakt. Zusätze wie spezielle Kräuter können zwar dazu beitragen, den Zuckerstoffwechsel zu regulieren und das Risiko von Stoffwechselstörungen zu verringern, entscheidend ist jedoch vor allem auch genügend und regelmäßige Bewegung des Pferdes. Sie Kurbelt den Stoffwechsel an, fördert die Darmperistaltik, die Durchblutung und stärkt die Muskulatur. Zudem hilft sie Stress abzubauen und das Risiko von Verhaltensproblemen, die durch lange Stallzeiten entstehen können, zu reduzieren. Das Pferd ist ein Lauf-bzw. Schlendertier. Sein ganzer Körper ist darauf ausgelegt weite Strecken zu schlendern, hier und dort zu Grasen und bei Bedarf den Turbo, seine Hinterhand, für einen fluchtartigen Sprint zu aktivieren um dann wieder zur Ruhe zu kommen. Ein gut durchdachtes Bewegungsprogramm, das sich an den individuellen Bedürfnissen jedes Pferdes orientiert, ist für die Erhaltung ihrer Gesundheit und Leistungsfähigkeit fundamental. Dies gilt nicht nur für Pferde in Boxenhaltung mit wenig Auslauf (was es leider hierzulande immernoch gibt) sondern auch für Pferde in vorbildlicher Offenstall oder Paddocktrail-Haltung mit rationiertem Weidegang. Diese bewegen sich selbstverständlich mehr als ihre Artgenossen in Boxenhaltung, allerdings reicht diese Bewegung meist häufig nicht aus um die durch Heu ad libitum plus Gras aufgenommenen Kalorien pro Tag auszugleichen. Gerade bei leichtfuttrigen Rassen und Kandidaten kann dies wortwörtlich schwerwiegende Folgen haben. Ein regelmäßiges „Workout“, das über einen 15minütigen Spaziergang hinausgeht, sollte, sofern es die Gesundheit des jeweiligen Pferdes zulässt, zum Bewegungsprogramm der meisten Pferde gehören.

Durch die Kombination aus sorgfältiger Planung und Überwachung des Angrasens, präventiven Maßnahmen, gezielten Therapieansätzen und Bewegung lässt sich das Risiko des Anweidens effektiv steuern und die Lebensqualität unserer Pferde damit nachhaltig verbessern. Mit der richtigen Strategie und einem umsichtigen Management kann die Freude am Frühlingserwachen und dem saftig grünen Gras mit unseren vierbeinigen Partnern geteilt werden, ohne ihre Gesundheit zu gefährden.