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Die Sehnen des Pferdes: Schäden, Vorbeugung, Behandlung

Sehnenschäden bei Pferden: Ursachen und Vorbeugung

Sehnenschäden sind neben Arthrose die „orthopädische Volkskrankheit“ des Reitpferdes. Die Sehnen des Pferdes und ihre Behandlung werden daher bei den meisten Reitern irgendwann zum Thema Von der Sehnenentzündung bis zum Anriss gibt es zahlreiche Variationen. Die Gemeinsamkeiten: Die Verletzung einer Sehne beim Pferd bedeuten Schmerzen für das Pferd, eine lange Rehabilitation und viel Stress. Stress nicht nur durch den Schmerz, sondern auch weil zum einen die Bewegung des Fluchttiers Pferds oft physisch durch Boxenruhe eingeschränkt ist, zum anderen das Pferd als Fluchttier mit nicht vollumfänglich funktionierendem Bewegungsapparat  eine potentiell bessere Beute für das Raubtier darstellt und dieses durch die uralten Instinkte gesteuerte Unterbewusste ebenfalls Stress hervorruft. Auch für den Besitzer ist eine Sehnenverletzung mit viel Leid, Sorge, Aufwand und Geduld verbunden. Die Rehabilitation eines erkrankten Pferdes dauert lange, da Sehnen schlecht durchblutet sind.

Woher Verletzungen an der Sehne kommen und wie das Risiko einer Verletzung minimiert werden kann, möchte ich in diesem Blogbeitrag übersichtsweise skizzieren.

Zunächst einmal muss man verstehen, was Sehnen überhaupt sind und welchen Zweck sie erfüllen:

Bänder und Sehnen bestehen aus Kollagenfasern, wenigen elastischen Fasern und Bindegewebszellen. Sie werden dem straffen Bindegewebe zugeordnet. Die einzelnen Sehnenfasern werden Fibrillen genannt. Diese wiederum sind zu sogenannten Fibrillenbündeln zusammengefasst. Zahlreiche Fibrillenbündel ergeben dann die Sehne, die durch die sogenannte Sehnenscheide geschützt werden. Die einzelnen Fibrillenbündel sind von einer empfindlichen Sehnenhülle umgeben, welche mit einer Gleitsubstanz gefüllt ist um Reibung zwischen den Fibrillen untereinander zu vermeiden.

Durch die parallel angeordnete Faserausrichtung der Fibrillen, verfügt Gewebe über eine speziell hohe Zugfestigkeit.

Sehnen fungieren als eine Art Zugseile zwischen Muskeln und Skelett. In dieser Funktion müssen sie unheimlich reißfest und wenig elastisch sein. Auch agieren sie im Gegensatz zu den Muskeln passiv. In der Bewegung werden sie durch die Muskulatur gespannt und entladen bei Relaxion des Muskels oder einer Muskelkette ihre Katapultkräfte, quasi wie die Sehne eines Bogens. Gerade für ein Fluchttier, dass kurz und schnell all seine gebündelte Kraft in ein Vorwärts umsetzen und seinen schweren Körper im Bruchteil weniger Sekunden auf eine maximale Geschwindigkeit bringen muss, um etwa einem Raubtier zu entgehen, ist dies sehr effizient.

Was aber ist nun ein Sehnenschaden? Bei einem Sehnenschaden reißen einzelne Fibrillen oder Fibrillenbündel. Bereits eine minimale Überdehnung lässt einzelne Sehnenfasern zerreißen und somit einen Sehnenschaden entstehen. Ein teilweise Anreißen führt zu einer Sehnenentzündung. Die so oft gehörte Floskel „Es war/ist nur eine Sehnenentzündung“ ist also vor diesem Hintergrund verharmlosend, denn auch hier sind Strukturen geschädigt und müssen sich regenerieren. 

Welche Faktoren schaden den Sehnen?

Bei der Frage danach, wie es überhaupt zu einem An- bzw. Zerreißen einzelner oder mehrere Fibrillenfasern oder Fibrillenbündeln kommen kann, wird häufig ein Unfall auf der Weide, ein Stolpern unterm Reiter oder ähnliche Unfälle angeführt. Dies kann selbstverständlich der Fall sein. Steigt man jedoch ein wenig tiefer in die Materie ein, so wird schnell klar, dass die größte Anzahl aller Sehnenschäden beim Reitpferd Ermüdungserscheinungen sind bzw. eine Überanstrengung der betroffenen Struktur(en). 

Wir erinnern uns: eine Sehne ist als Zugseil zwischen Knochen und Muskeln befestigt, die Muskeln bewegen die Sehnen. Was passiert, wenn Muskeln durch unphysiologische Bewegungsabläufe verhärten oder ermüden? Sprich ihrer eigentlicher Funktion nicht nachkommen können? Richtig: Sie ziehen an den Sehnen oder die Sehnen müssen die Funktion der Muskeln teilweise übernehmen. Beides überanstrengt die Sehne, es entsteht sich wiederholendes Zerren, sogenannte Mikrotraumata – meist an der Sehnenansatzfläche am Knochen oder der Sehnenscheide. 

Pferd Sehne Behandlung

Unphysiologische Bewegungsabläufe können vielerlei Ursachen haben. Neben Schonhaltung durch Schmerzen an anderer Stelle, etwa durch eine fehlerhafte Hufstellung oder einen unpassenden Beschlag, Blockaden, Arthrose, chronische oder akute Erkrankungen der Organe, wie beispielsweise Magenproblematiken, Eierstockzysten usw., steht die falsche Nutzung des Reitpferdes ganz oben auf der Liste. 

Sehr weit verbreitet, gerade unter jungen Reitpferden in allen Sparten der Reiterei sind Fesselträgerschäden. Meist am Vorderbein, jedoch gerade im Westernbereich auch an den Hintergliedmaßen. Der Fesselträger nimmt unter den Sehnen eine besondere Stellung ein. Sein fachlich korrekter Name ist „musculus interosseus medius“. Das „musculus“ gibt einen Hinweis darauf, dass diese Struktur nicht nur sehnengewebig ist, sondern in geringem Maße auch aus auergestreiftem Muskelgewebe besteht, welches eine sehr viel geringere Reslienz gegenüber Zugkräften aufweist und schneller als Sehnen fasern reißt. Der muskuläre Anteil des Fesselträgers nimmt mit dem Alter ab. Das heißt gerade junge Pferde weisen einen deutlich höheren Anteil an Muskelfasern in dieser Struktur auf. Der musculus interosseus unterstützt in hohem Maße das Fesselgelenk, also ein Gelenk, auf das in der Bewegung unheimlich starke Kräfte in Richtung Boden wirken. 

Wird das junge Pferd zu viel und zu früh belastet, stellt mangels Kraft oder durch zu frühe oder falsch ausgeführte Beizäumung den Rücken, die Schultermuskulatur und das Becken fest, und/oder wird in zu langen die Muskeln ermüdenden Reprisen geritten, muss es all dies dies u.a. mit dem Fesselträger ausgleichen. Ein Fesselträgerschaden entsteht. Mehr zu den komplexen physiologischen Zusammenhängen der Sehnenschäden  im nächsten Beitrag!